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Anhörung zum EU-Normungsmodell

Von: Dr. Holger Mühlbauer

Am 23.06.2010 hielt der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlamentes eine Anhörung zur Zukunft der Europäischen Normung ab. Vertreter verschiedener Normungs- und Interessensorganisationen waren aufgerufen, ihre Sicht der Weiterentwicklung des Europäischen Normungssystems zu geben. Die Anhörung diente sowohl der Europäischen Kommission als auch den Mitgliedern des Europäischen Parlamentes als Information und Meinungsbildung bei der Überarbeitung der rechtlichen Grundlagen der Europäischen Normung.

Die Europäische Kommission wird im Herbst ein "Standardization Package" vorlegen, das die bestehenden Richtlinie 98/34/EC, den Ratsbeschluss 87/95/EEC und Parlaments- und Ratsbeschluss EP 1673/206/EC ablösen soll. Der Berichterstatter des Binnenmarktausschusses wird nicht zuletzt aufgrund dieses Hearings einen Initiativbericht zu den Überarbeitungsplänen der Europäischen Kommission abgeben.

Zu Beginn des Hearings stellte der Kommissar für Unternehmen und Industrie, Antonio Tajani, die Überlegungen zur Zukunft der Europäischen Normung in den größeren politischen Zusammenhang des Europäischen Zukunftsplanes. "Die Europäische Normung hat eine wichtige Rolle bei der Schaffung des Binnenmarktes gespielt und europäischen Produkten auf dem Weltmarkt zum Erfolg verholfen", so Tajani. Man sehe sich allerdings weltweit einer Konkurrenz von Normen gegenüber, zudem habe der Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) Probleme mit dem bestehenden System. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) hätten oft Schwierigkeiten beim Zugang zur Normungsarbeit. Zur Verbreitung von Innovationen sollte von Anfang an Normung berücksichtigt werden. Eine Überarbeitung der Prozesse innerhalb des Europäischen Normungssystems sei daher vonnöten. Im Hinblick auf den IKT-Sektor fügte Tajani hinzu: "Wir müssen in diesem Sektor weitsichtig sein, unser System muss so flexibel sein, Dokumente anderer Gremien zu integrieren."

Ergebnisse zusammengefasst:

Das Europäische Normungssystem hat sich grundsätzlich bewährt. Eine breite Unterstützung für ein zentralisiertes Europäisches Normungssystem oder eine Normungsagentur ist nicht zu erkennen. 

Das nationale Delegationsprinzip wurde grundsätzlich bestätigt und von verschiedenen Rednern als das geeignete Instrument für die Europäische Normung hervorgehoben. Besonderer Wert wurde auf die bessere Einbindung "schwacher" Akteure (Verbraucher, Umweltvertreter, Gewerkschaftsvertreter, KMU) gelegt. Hier machten sich die kommissionsfinanzierten Organisationen wie NORMAPME, ANEC, ECOS und ETUI für eine zentrale Interessensvertretung stark. In diesem Zusammenhang kamen auch Gedanken zu so genannten alternativen Produktionsmöglichkeiten auf, die nach dem Modell "ISO 26000", Interessensvertretungen statt nationalen Vertretungen auf europäischer Ebene das Tor öffnen könnte.

Das Finanzierungsmodell der Normung über den Verkauf von Normen und damit eine breite Lastenverteilung wurde nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Einzelne Vertreter brachten das Thema "kostenlose Normen" auf, anerkannten jedoch, dass Kosten dann aus Steuermitteln der Mitgliedsländer getragen würden.

Der Vertreter der IKT-Normung legte Wert auf die Feststellung, dass dieser Sektor auf die Arbeitsergebnisse von Foren und Konsortien angewiesen sei. Eine Botschaft, die bei der Europäischen Kommission angekommen ist. Andere Wirtschaftssektoren befürchten allerdings diesbezüglich Gefahren für die Kohärenz des Normenwerkes und außereuropäische Einflüsse auf die Europäische Normung.

 

Die Vertreter der Normungsorganisationen wiesen auf die Vorteile einer stärkeren und frühzeitigeren Verknüpfung von Innovationsförderung und Normung hin.

Präsentationen:

http://www.europarl.europa.eu/activities/committees/hearingsCom.do;jsessionid=DC6A43A17F9DE68150597E24D4E50613.node2?language=EN&body=IMCO

Videoaufzeichnung der Anhörung:

http://www.europarl.europa.eu/wps-europarl-internet/frd/vod/player?eventCode=20100623-0900-COMMITTEE-IMCO&language=en&byLeftMenu=researchcommittee&category=COMMITTEE&format=wmv#anchor1

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